Die Aussage des „Lorscher Cocdex“

Die Ersterwähnung Holzhausens ist nicht in einer Originalurkunde überliefert, sondern im sogenannten „Lorscher Codex“. Dieser Codex stammt aus dem 12. Jahrhunderts und ist eine Zusammenstellung von Auszügen („Zitaten“) aus älteren Originalurkunden; die Auszüge betreffen Güter, die das Kloster Lorsch in dieser Zeit hauptsächlich durch Schenkung – erworben hatte. Der Holzhausen betreffende Auszug (siehe Bild) bietet magere Fakten über unseren Ort. Wir erfahren außer Ortsnamen und Jahr (849), dass der Schenker Ratbert hieß, dass Acker- und Wiesenbau und Waldnutzung betrieben wurde. Auffällig ist nur das pomarium, der Obstgarten. Er setzt ein Wissen um Kultivierung voraus, das in jener Zeit nur in Klöstern oder reichen weltlichen Grundherrschaften vorhanden war.

Um aus solchen Hinweisen mehr zu erkennen, muss der Historiker eine solche Schriftquelle „interpretieren“, wobei er andere Lorscher Notizen, vielleicht auch Urkunden anderer Klöster – etwa von St. Gallen – heranzieht. Mittels dieser Methode lässt sich z.B. vermuten, dass Ratbert ein größerer Grundherr mit Besitz an mehreren Orten war. Auch dürfte sein Wohnsitz nicht in Holzhausen gewesen sein, sondern im Schönberg- oder Batzenberggebiet, wo er Lorsch unter anderem Höfe und leibeigene Leute schenkte. Aus anderen Notizen wissen wir, dass Lorsch in jener Zeit in der March viel Besitz hatte. Bereits seit 769 erhielt es hier Güter, vor allem in Buchheim, aber auch in Neuershausen, Hochdorf und Reute. Das Kloster hatte daraus wahrscheinlich eine sogenannte „Villikation“ gebildet, einen größeren „Fronhof‘ in Buchheim, dem der Besitz in den übrigen Orten angeschlossen war. Ratberts Schenkung in Holzhausen 849 stellte eine relativ späte Ergänzung dieses Gutes dar. Sicher war Holzhausen schon vordem vom Lorscher Einfluss in unmittelbarer Nähe nicht unberührt geblieben. Darauf könnte – siehe oben – der Obstgarten hinweisen.

Der die Holzhauser Ersterwähnung betreffende Textteil des Lorscher Codex.

In der Notiz erscheint Holzhausen als Villa (Einzelhof oder Ansiedlung).‘ Emas auffällig ist, dass nicht – wie in anderen Lorscher Notizen – von marca (Gemarkung) gesprochen wird. Hier könnte man zwei zeitgleiche St. Galler Urkunden heranziehen, denen zufolge Benzhausen und Hochdorf im 8. und 9. Jahrhundert zur „Mark Buchheim“ gehörten. Für Holzhausen lässt sich dies ebenfalls annehmen.

Bis ca. 1250 sind die Jahrhunderte nach 849 arm an Schriftquellen. Die historische Erforschung der politischen und sozialen Verhältnisse wird für den Historiker damit zum mühsamen „Puzzlespiel“.

Dr. Thomas Steffens

Artikel aus der „Zittig zum Höfefescht 31. Juli – 2. August 1999“ anlässlich der schriftlichen Ersterwähnung von Holzhausen vor 1150 Jahren.